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Stürmische Zeiten im Jagsttal


Montag, 09. März 2015, 10:02 Uhr

Stürmische Zeiten im Jagsttal

Mulfingen/Schöntal  Die Bürgerinitiativen "Mittleres Jagsttal" und "Gegenwind Sindelbachtal" haben am Wochenende über Windkraft informiert. Rund 550 Gäste hörten viel zu gesundheitlichen Gefahren.

Von Tamara Kühner

Interesse: Rund 300 Zuhörer verfolgten die Infoveranstaltung am Samstagabend in der Dreschhalle in Hollenbach. Bei der Fragerunde im Anschluss an die verschiedenen Vorträge wurde rege diskutiert. Fotos: Tamara Kühner Kühner

Hohenlohe

Betretenes Schweigen in der Dreschhalle Hollenbach. Betroffene Gesichter, wohin das Auge blickt. Auf der Bühne schildert das Ehepaar Fuhrmann sein Leben in Bettenfeld, einem Teilort von Rothenburg ob der Tauber. Mit der Inbetriebnahme von Windkraftanlagen in der Nähe kamen gesundheitliche Beschwerden. Die waren für das Ehepaar schließlich unerträglich. Sie suchten sich ein neues Zuhause, ohne Windräder. Die Beschwerden verschwanden.

Mit solch dramatischen Schicksalen wollen die Bürgerinitiativen "Mittleres Jagsttal" und "Gegenwind Sindelbachtal" auf mögliche Gefahren von Windkraftanlagen aufmerksam machen. Dass das Thema Windkraft die Menschen bewegt, ist offensichtlich. Gleich zweimal konnten die Bürgerinitiativen am Wochenende volles Haus vermelden. Zu ihren gemeinsamen Informationsveranstaltungen in Hollenbach und Sindeldorf kamen insgesamt rund 550 Zuhörer.

Mediziner spricht über gesundheitliche Risiken

Gesundheit: Mediziner Johannes Mayer referiert über Infraschall. Kühner

Doch nicht nur persönliche Schicksale sollen den Besuchern mehr Frust als Lust an der Windkraft machen. "Wie kann es sein, dass Deutschland als Land der Ingenieure so einen Pfusch veranstaltet", fragt Referent Johannes Mayer, Allgemeinmediziner und Osteopath aus Friedberg bei Augsburg. Mit Pfusch ist im Großen die Energiewende und im Kleinen die Windkraft gemeint.

Der Mediziner erklärt wortgewandt und mit einer großen Portion Ironie, was es mit dem Phänomen Infraschall auf sich hat und welche gesundheitlichen Risiken er sieht. Bei Windrädern entsteht dieser Schall durch die Umströmung der rotierenden Flügel. Und obwohl er unterhalb der menschlichen Hörschwelle liegt, nehme er Einfluss auf den Körper.

Diese These belegen laut Mayer auch Untersuchungen internationaler Wissenschaftler. Auf der Liste möglicher Symptome finden sich beispielsweise Schwindel, Konzentrationsschwäche, Bluthochdruck, innere Unruhe oder Schlafstörungen. Beschwerden, die auch Familie Fuhrmann beschreibt. Der Mediziner fordert, um eine gesundheitliche Gefährdung ausschließen zu können, dass Windräder einen Abstand von 2000 Metern zu besiedelten Gebieten aufweisen sollten. Im Jagsttal sind maximal 700 Meter vorgesehen, zu manchen Weilern nur 500 Meter.

Wertverlust bei Immobilien?

Recht: Anwalt Andreas Langenbahn spricht über die Gesetzeslage. Kühner

"Ein ungeeigneteres Gebiet ist mir bislang noch nicht untergekommen", sagt Rechtsanwalt Andreas Langenbahn über die geplanten Anlagen gegenüber von Ailringen. Neben der Gesundheitsthematik sei auch der Wertverlust örtlicher Immobilien nicht zu unterschätzen.

Langenbahn führt auf, dass bei einer Entfernung unter 1000 Metern mit 30 Prozent Werteinbuße zu rechnen sei, wenn nicht gar mit Unverkäuflichkeit. Selbst bei einer Entfernung von über 2000 Metern seien bis zu 20 Prozent Verlust möglich. Um als Eigentümer im Nachhinein überhaupt eine Chance auf Entschädigung zu haben, "muss man aktiv versucht haben, das zu verhindern", so Langenbahn.

Lebhafte Diskussion bei Infoveranstaltung

Die Zuhörer werden regelrecht mit Informationen überschüttet – mal sachlich, mal emotional, aber immer reichlich. Kein Wunder, dass die rund 300 Bürger an diesem Abend ebenso wenig mit Fragen sparen.

Vor allem die Schilderungen von gesundheitlichen Auswirkungen des Infraschall auf den Menschen, wie Bluthochdruck oder Schlafstörungen, haben bei den Besuchern besorgte Mienen hervorgerufen. „Was passiert bei Personen, die bereits gesundheitliche Probleme haben?“, will ein Zuhörer von Dr. Johannes Mayer wissen. Der Mediziner hat zuvor über das Thema Infraschall referiert. „Es ist von einer Zunahme der Beschwerden auszugehen“, erwidert Mayer. Allerdings nur, wenn derjenige überhaupt zu den 30 Prozent zähle, die auf Infraschall sensibel reagierten.

Auch Befürworter sind vor Ort

Eine Frau im Publikum stört sich hingegen daran, dass nur über die negativen Seiten der Windenergie gesprochen werde. „Ich bin für Windkraft“, sagt sie, „weil Atomkraftwerke Irrsinn sind und man diese gebaut hat, ohne zu wissen, wohin mit dem Müll“. Die Schilderungen einer vermeintlich vom Infraschall krank gewordenen Familie stellt sie in Frage: Es gebe ja auch den sogenannten Nocebo-Effekt. „Darauf habe ich schon gewartet“, entgegnet Johannes Mayer gereizt. Es sei eine Unverschämtheit, den Menschen Lügen zu unterstellen, so der Osteopath, zumal aus medizinischer Sicht kein Zweifel an der Gesundheitsgefährdung bestehe.

Sorgen bereitet einem Bürger die Frage, wer für die Rückbaukosten aufkommen müsse, falls eine Betreibergesellschaft insolvent gehe und das Windrad nicht länger genutzt werde. „Der Grundstückseigner ist verantwortlich“, erklärt Referent und Rechtsanwalt Andreas Langenbahn. Zwar würden die Betreiber Sicherheiten erstellen, aber es sei fraglich ob diese reichen.

Johannes Mayer ergänzt: „Branchenüblich sind hier 48 000 Euro“. Zu wenig, stellt Langenbahn fest. „Für einen vollständigen Rückbau inklusive Sockel im Boden sind wohl 300 000 Euro realistisch“, so der Jurist. Auf die Frage, was passieren müsse, um die Windkraftpläne zu stoppen, gab Johannes Mayer eine für Gegner wohl ernüchternde Antwort: „Die Reißleine kann nur die Politik ziehen, wenn sie uns Bürger ernst nimmt.“